Selbstverständnis

Wir sind der Stadtteilladen Anni Wadle in Gaarden. Im September 2022 haben wir unsere Türen in der Kieler Str. 12 geöffnet, um einen solidarischen, selbstverwalteten und antifaschistischen Anlaufpunkt im Stadtteil zu schaffen. Unser Ursprung ist das Projekt Li(e)ber Anders in der Iltisstraße 34, dessen insgesamt 30-jährige Existenz im Sommer 2021 Opfer der laufenden Verdrängungsprozesse in unserem Stadtteil geworden ist. Nun melden wir uns mit mit frischer Energie, neu dazu gestoßenen Genoss*innen und geschärftem Konzept zurück. Wir freuen uns über alle, die Lust haben uns kennenzulernen.

Anni Wadle war eine Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus und Kommunistin, die sich ein Leben lang gegen Faschismus, Rassismus und Krieg engagiert hat. Sie lebte in verschiedenen Abschnitten ihres Lebens in Gaarden und war auch hier vor Ort politisch aktiv. Anni Wadle dient damit nicht nur als Namensgeberin des Stadtteilladens, sondern auch als politische Orientierung für unser Projekt

Wir sind Gruppen und Aktive aus der radikalen Linken in Kiel. Wir sehen uns in und kommen aus der Tradition der sozialistischen Arbeiter*innenbewegung, den außerparlamentarischen sozialen Bewegungen, der autonomen Linken, dem linksradikalen Feminismus, dem historischen und gegenwärtigen Antifaschismus, den antirassistischen Kämpfen gegen Abschottung und koloniale Ausbeutung und dem Internationalismus. Unser Ziel ist der Umsturz der bestehenden Verhältnisse.

Die bestehenden Verhältnisse schaffen für uns alle Lebensrealitäten, in denen wir Ausbeutung, Unterdrückung und Diskriminierung erleben: Viele von uns müssen unter schlechten Bedingungen und für zu wenig Geld schuften, um damit die überteuerte Miete zu bezahlen. Die Gewinne unserer Arbeit gehen nicht an uns, sondern halten ein Wirtschaftssystem am Laufen, das unsere Lebensgrundlage und unseren Planeten zerstört. Weil das überall und immer eine Rolle spielt, heißt das: Wer da nicht mitmachen will oder kann, hat schnell keinerlei Zugriff mehr auf existenzielle Dinge wie Nahrung, Wohnraum, das soziale Miteinander etc. Und auch wenn wir dem Zwang nachgehen, haben wir kaum die Kräfte für uns und andere da zu sein, so wie wir es wollen und brauchen. Wir leiden alle unter den Verhältnissen in dieser Gesellschaft. Zudem müssen wir uns bewusstmachen, dass unsere Unterdrückung unterschiedliche Formen annimmt, die wechselseitig wirken. Dafür gibt es viele Beispiele: Je nach Pass wird für uns bestimmt, wo wir leben und wohin wir uns bewegen dürfen. Je nach unserem Geschlecht oder dem, das uns zugeordnet wird, steigt das Risiko enorm, Gewalt und Übergriffe zu erleben.

Für uns ist klar: Das ist nicht einfach alles Zufall, sondern hat System: Kapitalismus, Patriarchat und (Neo-)Kolonialismus erkennen wir als die Ursache all dieser Missstände und Machtverhältnisse. Und so wollen wir nicht leben!

Wir brauchen eine Gesellschaft, in der alle Menschen ein würdiges Leben frei von Gewalt und Ausbeutung führen können. Das bedeutet für uns eine klassenlose, solidarische und von Herrschaft befreite Gesellschaft. Dies gelingt uns nur durch einen revolutionären und radikalen Bruch zum Bestehenden, zum Staat und zu Machtzentren, die die Unterdrückung verteidigen. Unsere gemeinsame Arbeit und der Aufbau des Stadtteilladens in der Kieler Straße sollen ein Beitrag dazu sein. Wir können und wollen das nicht allein angehen, dieser Weg gelingt uns nur gemeinsam. Wir laden euch ein mitzumachen!

Wenn wir organisierte Gegenmacht zu den bestehenden Verhältnissen aufbauen wollen, brauchen wir Orte, an denen wir Kämpfe kollektivieren. Einer dieser Orte soll unser Stadtteilladen sein. Wir wollen da Politik machen, wo wir leben. Da, wo sich unser Alltag und unsere Lebensrealitäten abspielen und da, wo wir selbst zuhause sind. Wir beziehen uns auf die Kämpfe, die in unserem Stadtteil alltäglich geführt werden und wir versuchen möglichst viele davon zu sehen und zu begreifen.

Gaarden ist mehr als viele andere Stadtteile in Kiel ein Ort, an dem sich die Ungerechtigkeiten der Verhältnisse besonders deutlich zeigen. Kiel wird durch die Förde nicht nur geographisch gespalten, auch die soziale Spaltung innerhalb der Stadt ist bundesweit mit am höchsten. Die Viertel auf dem Ostufer und vor allem Gaarden sind am stärksten davon betroffen. Ein Großteil der Gaardener*innen muss in Armut leben, dies betrifft Kinder und Senior*innen besonders hart. Dazu kommen prekäre Arbeitsverhältnisse, unwürdiger Wohnraum und steigende Mieten. Vielschichtige Stigmatisierungen, die daraus resultieren, äußern sich zum Beispiel in rassistischen Polizeikontrollen und anderen Schikanen der öffentlichen Ordnung, und führen dazu, dass diese Zustände immer weiter andauern.

Gaarden ist zwar oft ein Ort von Verzweiflung und Problemen, aber gerade deshalb auch ein Austragungsort tagtäglicher Kämpfe um Würde und Selbstbestimmung, ein Schauplatz von Solidarität und Zusammenhalt. Daran wollen wir anknüpfen! Unser Ziel ist eine Stadtteilpolitik, die diese Widerständigkeit sichtbar, erfahrbar und wirkmächtig macht, bündelt und mit der Perspektive eines würdigen, selbstbestimmten und angstfreien Lebens für Alle füllt.

Wir wünschen uns, dass der Stadtteilladen in Zukunft eine spürbare Bedeutung entwickelt. Der Stadtteilladen kann ein Ort sein, an dem ein solidarisches Miteinander erprobt und gelernt wird, um dieses im besten Fall in den Alltag über den Laden hinaus zu tragen. Auch wenn wir Stadtteilpolitik in Gaarden machen, soll unser Laden trotzdem und unbedingt ein Ort für ganz Kiel und darüber hinaus sein. Ein bereichernder Anlaufs- und Organisierungspunkt aus der radikalen Linken, auch für Leute, die nicht in Gaarden wohnen.

Auf dass der Stadtteilladen ein lebendiger und offener Ort wird! Für alle Menschen, die ein Interesse an radikaler gesellschaftlicher Veränderung haben, die alltäglich Widerstand leisten und für die, die nicht mehr allein aushalten und kämpfen wollen. Auf dass wir Anschluss aneinander finden und der Stadtteilladen ein Anfangspunkt für Austausch und solidarische Begegnung wird! Auf dass wir gemeinsam zum organisierten Angriff auf die uns umgebenden brutalen Verhältnisse übergehen!