Am vergangenen Samstag, den 04. Februar 2023 fand die erste offene Vollversammlung (VV) des Stadtteilladen Anni Wadle statt. Der Nachmittag wurde genutzt, um die Struktur und Arbeit des Stadtteilladens vorzustellen, die ersten sechs Monate der praktischen Arbeit im Stadtteilladen zu reflektieren und neue Impulse zu bekommen. Knapp 20 Menschen folgten dem Aufruf zu „Austausch, (schonungsloser) Kritik, Rückmeldungen und Ideen, rund um den Laden und seine Stadtteilarbeit in Gaarden“ und sorgten für einen sehr kurzweiligen, ehrlichen und inspirierenden Nachmittag.
Im ersten Teil der VV wurde noch einmal der Entstehungsprozess des Stadtteilladens nachgezeichnet. Dieser Prozess begann mit der Kündigung und dem Rausschmiss des damals in der Iltisstraße 34 ansässigen Vorgängerprojekts Li(e)ber Anders im Sommer 2021. Daraufhin folgte die Suche nach neuen Räumlichkeiten im Stadtteil. Innerhalb dieses Prozesses erfolgte eine inhaltliche und organisatorische Restrukturierung. Im August 2022 öffnete der Stadtteilladen Anni Wadle erstmalig die Türen. Nach der Vorstellung des Entstehungsprozesses wurden die inhaltlichen Leitlinien des Projekts – Solidarität, Selbstorganisierung, Antifaschismus – begründet und das damit verbundene Ziel formuliert, den Stadtteilladen als einen Ort der organisierten Gegenmacht zu den bestehenden ausbeuterischen und unterdrückerischen Verhältnissen aufbauen zu wollen. Damit einher ging die Betonung, Gaarden als keineswegs widerspruchsfreien und mit sozialen Problemen konfrontierten aber auch mit widerständigen Potenzial erfüllten Stadtteil zum Ausgangspunkt und Referenz für die eigene Politik zu machen.
Nachdem die organisatorische Struktur des Stadtteilladens dargestellt wurde, stellten sich die verschiedenen aktiven Arbeitsgruppen (AGs) und Gruppen vor. Namentlich sind das aktuell: AG Verwaltung, AG Solidarisches Gaarden (Stadtteillarbeit), AG Ladenschichten/Veranstaltungen, Küche für alle (Küfa) 143, Solidarische Beratung bei Ärger mit Jobcenter, Behörden und Vermieter, Feministisches Café, Perspektive Solidarität Kiel, das Netzwerk Antirassistische Aktion Kiel (NARA) sowie die Vokühila. Der damit verbundene Rückblick auf die Arbeit der letzten Monate verdeutlichte wieviel Aktivität sich im und um den Stadtteilladen bereits entfaltet hat. So herrscht den Großteil der Woche reger Betrieb im Laden: von Kochen und Essen bei der Küfa, Austausch und spannenden inhaltlichen Veranstaltungen beim offenen Laden, gegenseitige Unterstützung bei der solidarischen Beratung, regelmäßigen Treffen, das Basteln und Malen von Schildern und Transparenten für Demonstrationen und Kundgebungen wie „Die Reichen zur Kasse“ oder den „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“ oder theoretische Bildung bei der PSK-Winterschule.
Im zweiten Teil der Vollversammlung wurde dann im Rahmen eines World-Cafés noch stärker der aktive Austausch gesucht, um den Stand des Projekts zu bewerten. An drei verschiedenen Tischen diskutierten Kleingruppen die Fragen: 1) Wie bewertet ihr die ersten Monate und die Entwicklung des Stadtteilladens (von außen/von innen). 2) Was fehlt im Stadteilladen/was würdet ihr euch noch wünschen? 3) Zu welchen Themen sollten wir was im Stadtteilladen organisieren? Auf die Fragen gab es vielfältige Antworten und Diskussionsbeiträge. Auf den ersten Blick wurde deutlich, dass der Prozess generell als gut bewertet wird, bereits viel geschafft wurde und sich rund um den Stadtteilladen eine kontinuierliche Politik entwickelt hat. Kritik und damit verbundene Ideen gab es u.a. zur mangelnden Transparenz des Projekts und der Struktur, der noch fehlenden Ausgestaltung der Fassade, der Zugänglichkeit für interessierte Leute, die sich aktiv einbringen wollen, bis hin zu fehlenden Themen wie Klima. Die Kritik nehmen wir sehr ernst und Bedanken uns für ehrliche Rückmeldungen. Erst durch Kritik und Reflexion schaffen wir es gemeinsam progressiv Voran zu schreiten. Die Ergebnisse sollen in den kommenden Wochen systematisiert werden, um dann an einer Umsetzung der sich daraus ergebenden Punkte zu arbeiten. Es ist also noch ein sehr weiter Weg, der langen Atem bedarf.
Das Format der Vollversammlung ermöglichte einen offenen, vitalen aber auch kritischen Austausch zum Stand des Projekts Stadtteilladen. Als fester Bestandteil der Struktur soll so eine Vollversammlung alle sechs Monate stattfinden. Dies sehen wir als Teil einer Reflexion der Struktur und der politischen Arbeit mit Impulsen von innen und außen. Diese Reflexion ist notwendig um die alltägliche, teils sehr kleinteilige Arbeit mit den übergeordneten mittel- bis langfristigen Zielen des Stadtteilladens – u.a. die Stärkung eines Klassenbewusstseins, der Aufbau von solidarischen Netzwerken, die Verbesserung der konkreten materiellen Situation und des Alltages, die Organisierung und der Aufbau von Gegenmacht von unten – abzugleichen und ein stärkeres Zusammenwirken von Theorie und Praxis zu gewährleisten.
Wir sehen den Stadtteilladen als einen Schritt in die richtige Richtung, der immer noch sehr neu und aufregend ist, noch sehr viel Arbeit vor sich hat, aber auch noch ungeheuer viel Potenzial hat, um langfristig erfolgreich von links und unten Politik zu machen. Komm vorbei, schließ dich uns an – denn uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun!