»Aber auch die Ohnmacht der Theorie muss rational begriffen werden.« (Heinz Langerhans)
»Die soziale Revolution ist keine Parteisache!« lautete einst der Schlachtruf der Rätekommunist*innen. Es war Tatsachenbeschreibung und Verheißung zugleich: Nicht nur schien die Praxis der radikalen Arbeiter*innenbewegung längst darüber hinaus, eine Avantgardepartei zu benötigen; das autonome Handeln der Klasse antizipierte zudem die sozialistische Gesellschaft, nahm die Republik der Arbeit vorweg.
Der Rätekommunismus war aber weit mehr als eine Feier von Spontaneität und Massenstreiks. Sein Kern ist gerade kein »positives Menschenbild«, keine Anthropologie proletarischer Subjektivität. Vielmehr hat der Rätekommunismus eine kritische Theorie des kapitalistischen Totalitarismus formuliert – Stalinismus wie Faschismus seien jeweils Elemente in der Herausbildung totalitärer Formen der Mehrwertabpressung. Der Ausweg, dagegen allein auf die Selbstorganisation des Proletariats zu setzen, ist keinem revolutionären Überschwang geschuldet, sondern schiere Notwehr. In dieser Einsicht liegt die Aktualität des Rätekommunismus – was aber nicht wirklich eine gute Nachricht ist. Denn es bedeutet, dass die bisherigen Prinzipien der Organisierung radikal infragegestellt werden werden müssen.
Am, wenn man so will, schmerzhaftesten und ehrlichsten unternahm dies Heinz Langerhans in den 1940er Jahren im New Yorker Exil. Im Triumph von Stalinismus, Faschismus und, nota bene, amerikanischem New-Deal-Kapitalismus sah er mehr als »nur« die umfassende Niederlage der alten, bereits globalen Arbeiter*innenbewegung und begriff, dass es nicht reicht, beim Antifaschismus stehen zu bleiben.
Montag, 24.10.2022 | 19.30 Uhr | Stadtteilladen Anni Wadle (Kieler Str. 12, Kiel-Gaarden)
Felix Klopotek lebt und arbeitet in Köln. Von ihm sind jüngst erschienen: »Rätekommunismus – Theorie und Geschichte« (Schmetterling Verlag) und »Heinz Langerhans: Die totalitäre Erfahrung« (Unrast Verlag).
Eine Veranstaltung von Perspektive Solidarität Kiel (PSK) in Kooperation mit der Rosa Luxemburg Stiftung Schleswig Holstein.