PSK Winterschule 2023/2024 – Back to Class!

Es ist traurig zu wissen, dass viele Studierte nicht in den Kampf eintreten. Aber es ist unverzeihlich, wenn eine kämpfende Person nicht studiert, nicht intellektuell wird. Studieren bedeutet zu verstehen, was mit dir und mit anderen passiert und nach einer Lösung zu suchen. Dies erfordert eine Reflexion über die eigene Erfahrung und die historische Erfahrung der Klasse der Unterdrückten, die Aneignung des angesammelten Wissens. Sich zu bilden bedeutet weder Kurse zu belegen noch den Kopf mit Informationen zu füllen. Es bedeutet, Antworten finden zu können, die die Probleme der Menschen heute betreffen.“

(MST – Bewegung der Arbeiter:innen ohne Land aus Brasilien)

Bildung und Selbstbildung sind zentrale Elemente für die Theorie und Praxis der radikalen und revolutionären Linken. Wer die eigene Geschichte kennt und als diese begreift, kann aus Niederlagen aber auch Erfolgen lernen. Das Wissen über theoretische Begriffe und Konzepte, ermöglicht uns eine kritische Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse und das Schaffen einer Perspektive über die bestehende Ordnung hinaus. Damit ist Bildung nicht weniger als eine Grundlage für gemeinsames Bewusstsein und kollektive Kämpfe. Diese Form des Wissens wird allerdings weder im Fernsehen gezeigt, noch ist sie fester Bestandteil im bürgerlichen Bildungskanon an Schulen und Universitäten. Dieses Wissen müssen wir uns aktiv selbst aneignen und vermitteln. Da dafür im Alltag neben Lernen, Arbeiten und Motivationslosigkeit angesichts der ganzen Misere, die Zeit oder Lust fehlen und viele Texte schwierig zu verstehen sind, wollen wir uns gemeinsam dieses notwendige Wissen aneignen.

Nach dem erfolgreichen Auftakt im letzten Winter setzen wir als Perspektive Solidarität Kiel unsere Winterschule in den kommenden Monaten fort. Von Dezember bis März gibt es monatlich (Selbst-)Bildungsseminare über die grundlegenden Themen Sozialismus und Kommunismus, den marxistischen Krisenbegriff, materialistischen Queer-Feminismus und Naturverhältnisse im Kapitalismus. Die Veranstaltungen sind als Tagesseminare angelegt und werden inhaltlich sowie didaktisch so gestaltet, dass es keinerlei Vorkenntnisse für die Themen bedarf. Auch wenn die Inhalte durchaus kompliziert werden können, ist es unser Anspruch, dass alle teilnehmen und mitkommen können und wir uns in einem kollektiven Prozess bilden.

Alle Seminare finden im Stadtteilladen Anni Wadle (Kieler Str. 12, 24143 Kiel) statt und aufgrund begrenzter Plätze bitten wir um eine Voranmeldung. Dafür könnt ihr einfach an mail@perspektive-solidaritaet.org schreiben oder euch direkt im Stadtteilladen melden. Die Seminarreihe wird unterstützt von der Rosa-Luxemburg-Stiftung Schleswig-Holstein.

Veranstaltungen (genauere Beschreibungen findet ihr unten):

02.12.2023 | 10-17 Uhr: „Ein Gespenst geht um“ – Einführung in das Kommunistische mit Michael Brie und Lutz Brangsch (Anmeldung ab 14.11.2023)

20.01.2024 | 10-17 Uhr: „Der Kapitalismus kriegt die Krise“ – Einführung in den marxistischen Krisenbegriff mit Antonella Muzzupappa (Anmeldung ab 03.12.2023)

17.02.2024 | 10-16 Uhr: Materialistischer Queer-Feminismus. Entstehung und theoretische Grundlagen mit Friederike Beier (Anmeldung ab 21.01.2024)

16.03.2024 | 10-17 Uhr: Klima und Kapital – Gesellschaftliche Naturverhältnisse im Kapitalismus mit Moritz Zeiler und Valeria Bruschi (Anmeldung ab 18.02.2024)

perspektive-solidaritaet.org | stadtteilladen.gaarden.net | sh.rosalux.de


„Ein Gespenst geht um…“ – Einführung in das Kommunistische

Samstag | 02.12.2023 | 10-17 Uhr | Stadtteilladen Anni Wadle (Kieler Str. 12)

Mit Lutz Brangsch und Michael Brie

„Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus. Alle Mächte des alten Europas haben sich zu einer heiligen Allianz gegen dieses Gespenst verbündet…“. So beginnt die berühmteste Schrift linken Denkens, das „Manifest der Kommunistischen Partei“ von Karl Marx und Friedrich Engels aus dem Jahre 1848.

Bis heute hat sich ein ungeheures geschichtliches Inventar an theoretischen Bestimmungen und Debatten, praktischen Versuchen sowie Angriffen und Denunziation politischer Gegner entlang der Begriffe Kommunismus und Sozialismus angesammelt. Das erklärte Ziel der klassenlosen Gesellschaft, in der das Privateigentum an Produktionsmitteln aufgehoben und der Staat als Instrument der Klassenherrschaft abgestorben ist, wurde auf verschiedenen Wegen adressiert. Marx und Engels sahen bereits in der Urgesellschaft einen Urkommunismus, in dem die soziale Organisation auf Gemeineigentum aufbaute. In frühkapitalistischen Gesellschaften fanden sich in Aufstandsbewegungen und intellektuellen utopischen Konstrukten kommunistische Ansätze und ab dem 19. Jahrhundert und der Phase des Hochkapitalismus bildete sich ein revolutionärer Kommunismus und eine Arbeiter:innenbewegung mit eigenständigen Massenorganisationen, Träger:innen und Aktionsformen heraus. Eine Bewegung die von konkreten Errungenschaften und Verbesserungen der Lebensbedingungen, aber letztendlich auch durch politische Spaltungen und Niederlagen geprägt war.

Die Oktoberrevolution 1917 und Sowjetrussland als der große Aufbruch machten kommunistische Ziele als auch deren Mittel in gesellschaftlicher Dimension erlebbar. Das Ende in der Barbarei des Stalinismus haftet dem Begriff bis heute an und macht ein Lernen aus dieser Tragödie notwendig. Dennoch gab es in den imperialistischen Zentren und Peripherien auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer wieder Bezugnahmen und Versuche auf den Kommunismus als Gegenentwurf zu kapitalistischer Ausbeutung und kolonialer Unterdrückung.

Und ausgehend von den Worten Badious, wonach „der Stalinismus den Kommunismus getötet hat, dieser aber wieder erwachen kann“, gibt es als Antwort auf das neoliberale Ende der Geschichte von Chiapas bis Rojava immer wieder praktische Versuche sowie vor allem in Krisenzeiten ausgeweitete Debatten über eine sozialistische bzw. kommunistische Gesellschaft im Kleinen wie im Großen. Damit einher geht eine große Spannweite zur Bestimmung der Begriffe: Von der Überwindung aller Logiken der bürgerlichen Gesellschaft und damit die Vergesellschaftung des Bodens und der Produktionsmittel, die Demokratisierung der Produktions- und Reproduktionsmittel, die Abschaffung der Herrschaftsorganisation Staat, die Schaffung neuer Naturverhältnissen einschließend, bis hin zum aufsteigenden globalen Hegemon mit sozialistischen Einflüssen in der ökonomischen Sphäre.

In dem Workshop werden grundlegend in die Konzepte Sozialismus und Kommunismus eingeführt. Welche Theorie- und Ideengeschichten gehen mit den Begriffen einher? In welchem Verhältnis stehen die Begriffe? Welche Organisierungs- oder Organisationsansätze sind damit verbunden? Was können wir aus der Geschichte lernen und für unsere heutige Praxis daraus gewinnen?

Dr. Lutz Brangsch, politischer Ökonom, geb. 1957. Von 1999 bis 2023 Mitarbeiter in der Rosa- Luxemburg-Stiftung in verschiedenen Funktionen, zuletzt Referent für Staat und Demokratie im Institut für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung, jetzt Rentner.

Dr. Michael Brie, Sozialphilosoph, geb. 1954 in Schwerin. Hochschullehrer an der Humboldt-Universität zu Berlin; langjährige Arbeit an der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Geschichte des Sozialismus und Kommunismus. Ausgewählte Bücher: Brie, Michael/Brangsch, Lutz (Hrsg.) (2016): Das Kommunistische. Oder: Ein Gespenst kommt nicht zur Ruhe. Mit Beiträgen von Bini Adamczak, Friederike Habermann und Massimo De Angelis. Hamburg: VSA; Sozialismus neu entdecken. Ein hellblaues Bändchen von der Utopie zur Wissenschaft und zur Großen Transformation. Hamburg: VSA 2022;: Chinas Sozialismus neu entdecken: Ein hellblaues Bändchen jenseits der Froschperspektive auf ein spannendes Experiment. Hamburg: VSA 2023.

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„Der Kapitalismus kriegt die Krise!“ – Einführung in den marxistischen Krisenbegriff

Samstag | 20.01.2024 | 10-17 Uhr | Stadtteilladen Anni Wadle (Kieler Str. 12)

Mit Antonella Muzzupappa

Krise als Normalzustand: Seit einigen Jahren durchläuft die Welt eine Kette fortlaufender Katastrophen. Auf die große Finanzkrise folgte die Eurokrise, dann kam die Coronakrise und anschließend die Energiekrise. Die nächste Finanzkrise scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, die Wetten laufen bereits. Wir werden uns im Workshop mit der Marxschen Perspektive auf Krise beschäftigen und der Frage nachgehen, warum es im Kapitalismus ständig zur Krise kommt bzw. kommen muss.

Der Workshop hat einen einführenden Charakter. Es sind keine Vorkenntnisse nötig. Lediglich Neugier und Lust aktiv mitzumachen, werden vorausgesetzt. Antonella Muzzupappa ist Referentin für Politische Ökonomie bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin. Sie ist Mitautorin des Bildungsmaterials »Polylux Marx«.

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Materialistischer Queer-Feminismus. Entstehung und theoretische Grundlagen

Samstag | 17.02.2024 | 10-16 Uhr | Stadtteilladen Anni Wadle (Kieler Str. 12)

Mit Friederike Beier

Wie wirken Patriarchat, Heterosexismus und Kapitalismus zusammen? Wie kann ein Feminismus aussehen, der sowohl die ökonomischen Grundlagen von Geschlecht und Sexualität als auch deren Herstellungsbedingungen umfassend theoretisiert und zu überwinden sucht? Und inwiefern sind Heterosexualität und Zweigeschlechtlichkeit für den Kapitalismus produktiv? Um diese Fragen geht es einem materialistischem Queerfeminismus, dessen theoretische Grundlagen und aktuelle Debatten, wir uns in dem Workshop erarbeiten.

Einem materialistischen Queerfeminismus geht es um eine emanzipatorische Theoriebildung für das Verständnis der Rolle von Geschlecht und Sexualität im Kapitalismus – entgegen des vermeintlichen Widerspruchs zwischen Identität und Klasse. Während der feministischen Queertheorie vorgeworfen wird, Kapitalverhältnisse und gesellschaftliche Strukturen nicht mitzudenken, wird die Herstellung von Geschlecht seitens marxistischer Analysen untertheoretisiert und die Rolle von Sexualität und Begehren für den Kapitalismus oftmals ausgeblendet.

Demgegenüber zeichnet sich ein materialistischer Queerfeminismus durch eine antikapitalistische sowie queerfeministische Theorie und Praxis aus. In dem Workshop geht es um historische und aktuelle Verbindungslinien zwischen beiden Strömungen sowie aktuelle theoretische Verknüpfungen eines materialistischen Queerfeminismus.

Im letzten Teil des Workshops werden wir politische Perspektiven und Utopien einer geschlechtslosen und sorgezentrierten Gesellschaft diskutieren. Der Workshop richtet sich an alle Theorieinteressierte mit und ohne Vorkenntnisse.

Friederike Beier (sie/ihr) ist Politikwissenschaftlerin und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Freien Universität Berlin. Sie hat bei unrast die Buchreihe ‚Theorien und Kämpfe der sozialen Reproduktion‘, den Band ‚materializing feminism. Positionierungen zu Ökonomie, Staat und Identität‘ zusammen mit Lisa Yashodhara Haller und Lea Haneberg (2018) und kürzlich das Buch ‚Materialistischer Queerfeminismus – Theorien zu Geschlecht und Sexualität im Kapitalismus‘ (2023) herausgegeben. Aktuell arbeitet, forscht und lehrt sie zu materialistischem Queer-Feminismus, sozialer Re_Produktionsarbeit, queer-feministischer Staatstheorie und der globalen Regierung durch Zahlen.

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Das Klima des Kapitals – Gesellschaftliche Naturverhältnisse und Ökonomiekritik

Samstag | 16.03.2024 | 10-17 Uhr | Stadtteilladen Anni Wadle (Kieler Str. 12)

Mit Valeria Bruschi und Moritz Zeiler

Der Zwang zur Profitmaximierung untergräbt nach Marx permanent die Quellen allen gesellschaftlichen Reichtums: Natur und Arbeit. Exzessiver Raubbau durch kommerzielle Landwirtschaft, massive Verschmutzung von Luft, Boden und Wasser durch die Industrie und rapide ansteigende Erderwärmung infolge enormen Energieverbrauchs haben fatale Folgen für das globale Klima. Ein Green New Deal wird bestenfalls zur Modernisierung des Kapitalismus führen, jedoch keinen Ausweg aus der Klimakrise. Produktion, Verteilung und Konsum nach menschlichen Bedürfnissen wie auch ein respektvoller Umgang mit der Natur erfordern daher einen Bruch mit der kapitalistischen Logik.

Marx konnte zwar die aktuelle Klimakrise nicht vorhersehen, aber sein Werk liefert wichtige Anregungen für aktuelle Diskussionen um einen wünschenswerten Stoffwechsel von Mensch und Natur. Im Workshop werden wir gemeinsam kurze Textpassagen von Karl Marx und weiteren Autor*innen lesen und diskutieren. Dabei wird es vor allem um folgende Fragen gehen: Wie ist der Zusammenhang von Kapitalismus, Wachstum und Naturzerstörung zu verstehen? Was bedeutet das für den Klimawandel? Welche Rolle spielen Staaten im Kapitalismus und bei der Lösung der Klimakrise?

All diese Fragen wollen wir in dem Workshop gemeinsam erarbeiten und diskutieren. Valeria Bruschi, studierte Philosophin, ist seit 2008 in der politischen Bildungsarbeit zu den Themen rund um die Kritik der politischen Ökonomie tätig. Sie ist Mitautorin des Bildungsmaterials »Polylux Marx« und unterrichtet zudem in Berlin Deutsch für Migrantinnen und Migranten und Geflüchtete.

Moritz Zeiler hat Geschichte und Politikwissenschaften studiert. Veröffentlichungen unter anderem: »Materialistische Staatskritik. Eine Einführung« (2017) und zusammen mit associazione delle talpe »Staatsfragen. Einführungen in materialistische Staatskritik« (2009) sowie »Maulwurfsarbeit I–V« (2010–2020).